Vom besten Kaffee der Stadt – aber eigentlich geht es wie immer um #CustomerExperience

Mit Kaffee ist es ja so eine Sache. Es gibt die Koffein-Zuführer, welche sich Nescafé im Sinne der sofortigen Trinkbarkeit in nur lauwarmem Wasser auflösen (das sind auch die, welche frühmorgens ein ungekühltes M-Budget Redbull-Imitat laut schlürfen) und andere, welche die Zubereitung mit einer Bialetti Moka Maschine (die Firma soll übrigens kurz vor dem Konkurs stehen) richtiggehend zelebrieren. Einige schwören auf «frisch gemahlen, nicht gekapselt» (finde ich übrigens einen saublöden Slogan und die Werbung mit dem heiligen Roger kein bisschen besser), andere schwören auf Kapseln von Nespresso oder deren (billigeren, ökologischeren, schöneren, exklusiveren – you choose) Derivate.

Beim Ausserhaus-Konsum kamen mir mit Wohnort sehr nahe am Bahnhof Baden bis vor Kurzem vier Varianten in den Sinn:

Zu Hause gekochter Kaffee vermischt mit der zu Hause vorrätigen Milch im nachhaltigen Mehrwegbecher. Braucht Vorräte, etwas Zeit und schmeckt dann halt genau gleich gut oder schlecht wie der der Kaffee zu Hause.

Der von jeder Bäckerei und mittlerweile fast jedem Laden angebotene «Coffee to go», wobei ich mich dort immer frage, warum ich für einen Knopfdruck mit ungewissem bis maximal befriedigendem Resultat den dann doch horrenden Aufpreis bezahlen soll. 

Der sehr statusorientierte (und teure, aber mir durchaus schmeckende) Klassiker von Starbucks. Dieser birgt immer das Risiko des Falsch-Aussprechens der hippsten Kreation (was dann ein müdes Lächeln der Barista nach sich zieht), dafür auch die Chance auf einen total falsch-lustig geschriebenen Vornamen auf dem Becher. Im Ausland gehe ich total gerne zu Starbucks, man weiss, was man kriegt und die Chance, dass man jemanden kennt, vor dem man den Besuch bei Starbucks irgendwie rechtfertigen müsste, ist verschwindend klein.

Und dann hat Aldi (Lidl glaub sogar auch) einen Cappuccino-Automaten, der ein koffeinhaltiges, nicht mal so grausam schlechtes Heissgetränk in ausreichender Menge für CHF 1 (in Worten: einen Franken) ausspuckt. Kostenmässig also in etwa auf Höhe der Heimproduktion. Hygienischer Zustand der Maschine: unbekannt.

Ja, und seit ein paar Monaten gibt es am Bahnhof Baden die Variante Nummer 5 quasi als Untermieter des Hofladens Rüedu noch «Caffe Uno». Zentralst (gibt es das Wort?) gelegen am Gleis 1. Gegründet und geführt Nicolas Vuille, einem ehemaligen Banker, der jetzt lieber Kaffee macht. Der Kaffee an sich hervorragend, mit CHF 6.2 für einen Cappuccino Forte (das wäre ein double shot mit aufgeschäumter Milch– und sorry, drunter geht ja eh nichts) preislich in der Starbucks-Region (er führt aber quasi als Einsteigermodell auch einen Espresso für faire CHF 3.20), aber irgendwie rein aufgrund des Bechers weniger pompös und wichtigtuerisch, dafür etwas bescheidener und geschmacklich besser. Und irgendwie auch regionaler als der Kaffeehändler aus Seattle (Kaffee von der Mikrorösterei Röstlabor in Zürich, eine halbe-halbe Mischung aus Robuste und Arabica, falls es jemand genau wissen will; Milch von der Molkerei Neff in Wald und die Hafermilch von Gutsch; und jetzt soll bitte niemand fragen, ob auch eine Mandel-Soja-Baumnuss-Cuvée-Milchvariante möglich wäre, sonst endet dieser Satz nie mehr). Der Nachhaltigkeit wird mit Biomasse-beschichteten Recycling-Bechern Rechnung getragen, wer Zeit und Lust hat, kriegt aber auch eine richtige Tasse aus Porzellan. Aber eben, um den Kaffee geht es ja nur zum Teil.

Quelle: https://www.instagram.com/caffeuno/

Es geht bei mir ja eigentlich immer mehr um die #CustomerExperience. Bei meinem zweiten Besuch sprach Nicolas mich darauf an, dass wir auf LinkedIn befreundet seien (ich konnte mich schwach erinnern über die Eröffnung gelesen und ihm dann eine Anfrage geschickt zu haben, seit geistiges CRM scheint wacher zu sein als meins). Ab dem dritten Besuch kannte er meine Getränkewahl bereits, wenn ich den Laden betrat. Und wenn er grad keine Kunden hat, dann akquiriert er neue, primär indem er Kaffeetrinker mit Bechern von Mitbewerbern freundlich und unaufdringlich aber überzeugt seine Produkte vorstellt.

Leider reicht es mir nicht grad täglich für einen Besuch, was primär daran liegt, dass ich die Strecke ab Höhe Migros meistens rennend zurücklege. Aber wenn es mir reicht, dann habe ich mir frühmorgens den besten Kaffee der Stadt der Schweiz ach was der Welt

Next stop: Caffe Uno

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